Archiv der Kategorie: Sachbuch

Denn sie lieben, was sie tun

Schätze von der Messe. Foto: Maren Schönfeld

Um die Mittagszeit gab es gerade noch einen freien Parkplatz vor der Eulsete-Halle, dabei hatte ich befürchtet, dass vielleicht kaum jemand Interesse an der Buchmesse in dem kleinen Ort bei Stade zeigen könnte. Weit gefehlt – beim Rundgang gab es vor einigen Ständen „Stau“, die angeregten Gespräche zwischen Besuchern und Ausstellern dauerten einige Zeit und die Wartenden zeigten sich geduldig. Die Messe, die unter dem Motto … fair geht vor von Manuela und Uwe Kowald veranstaltet wurde, fand zum ersten Mal in Himmelpforten statt. Rund 25 Aussteller teilten sich die Halle mit einem Bücherflohmarkt, was offensichtlich ein gutes Konzept war, wobei am ersten Tag des Messewochenendes 27./28. April mehr Gäste an den Ständen zu finden waren als im Flohmarktbereich. Die Bezeichnung „alternative Buchmesse“ weckt in den älteren Semestern von uns eher Assoziationen zur alternativen Szene der 1980er Jahre; aber weit gefehlt: In diesem Fall ging es um alternative Publikationsmöglichkeiten für Schriftsteller, die im so genannten ersten Buchmarkt kaum eine Chance bekommen. In einem Markt, der hauptsächlich von Übersetzungen lebt und fast keinen Raum für Neuerscheinungen hat, sind neue Schriftstellerinnen harten Bedingungen ausgesetzt. Als das Selfpublishing aufkam, damals noch verachtet und verpönt von denen, die „es geschafft“ hatten, in einem größeren Verlag unterzukommen, kämpften die schreibenden Pioniere um einen Platz in der Welt der zu Papier gebrachten Gedichte und Geschichten, die ihren Weg zu Lesefreudigen finden sollten. Und was soll man sagen: Gut 20 Jahre später ist es kein Platz, sondern ein eigener Markt, der sich still und leise neben dem etablierten Buchmarkt, beherrscht von großen Verlagen, aufgestellt hat. Und der so viel Druck auf den „ersten Buchmarkt“ ausgeübt hat, dass es jetzt in Leipzig und Frankfurt am Main Selfpublisher-Areas auf den Buchmessen gibt. Sicherlich hängt die Qualität der Texte nicht zuletzt davon ab, ob sich die Verfasser ein Lektorat geleistet haben; Leser sind trotzdem zu finden. Und wer es als Selfpublisher schafft, sich einen Leserkreis zu erarbeiten, hat sich tief ins Marketing eingearbeitet. Denn die besten Texte kommen nur dann unter Leute, wenn die richtigen Werbemaßnahmen sie in die Welt bringen.

Präsentationen, mit Liebe gemacht

Zunächst beeindruckt, mit welcher Liebe zum Detail und mit welch großer Sorgfalt die kleinen Verlage und Selfpublisher ihre Stände ausgerichtet haben. Fast alle haben nicht nur Bücher, sondern auch Lesezeichen, Flyer, Leseproben und sogar bedruckte kleine Leinenbeutel mit dem entsprechenden Buchcover dabei und ansprechend aufgebaut. Für einen Titel, bei dem es um Schokoladentaler geht, sind goldglänzende Schokotaler auf schwarzem Samt ausgestreut; Farben, die sich im Buchcover widerspiegeln. Auf den ersten Blick scheint es, als ob fast alles Fantasy und New Romance wäre. Beide Genres fallen durch eine besondere Farbgestaltung ins Auge sowie durch malerische oder Tattoo-ähnliche Coverbilder. Die meisten dieser Titel haben ein größeres Format als man es von traditionellen Verlagspublikationen her kennt, allerdings oft auch größere Schrift und einen großzügigen Buchsatz, der das Lesen erleichtert. Einige Bücher sind fast zu dick und schwer, um sie beispielsweise abends im Liegen zu lesen. Das schreckt die Fantasy-Fangemeinde offenbar nicht ab.

Stand Debbie Bülau. Foto: Manuela Kowald

Der zweite Blick zeigt, dass sich andere Themen und Titel dazwischen befinden, die einen außergewöhnlichen Hintergrund haben. So hat die Heimatforscherin Debbie Bülau eine reich bebilderte Dokumentation von 696 Seiten über die „Heimatgeschichte von der NS-Zeit bis heute“ für den Ort Kutenholz und dessen Umgebung veröffentlicht. Für dieses Buch hat sie mehrere Jahre über die Opfer des Nationalsozialismus recherchiert und akribisch die Schicksale von Zwangsarbeiterinnen, KZ-Häftlingen, Kriegsgefangenen, Opfern der NS-Psychiatrie und kurz vor Kriegsende in der Samtgemeinde Fredenbeck verstorbenen britischen Soldaten sowie Wehrmachtssoldaten zusammengetragen. Ihre Suche nach Material deckte sogar eine Verbindung zwischen Queen Elizabeth II. und Kutenholz auf. Man fühlt sich direkt an das „Echolot“ Walter Kempowskis erinnert, das zwar einen ungleich größeren Umfang hat, aber auch auf jahrelanger Recherche und dem Zusammentragen von Feldpostbriefen, Tagebucheinträgen, Fotoalben usw. basiert. Der Titel „Niemand sollte zweimal sterben – erinnert euch an uns! „ist in einigen Gedenkstätten, Museen und örtlichen Buchhandlungen erhältlich sowie direkt bei der Autorin unter info@gedenkorte-kutenholz-und-umgebung.de

Cosplayer und das wahre Leben

Besucher jeden Alters und sogar einige Cosplayer, wie man sie sonst eher in Leipzig vorfindet, drängen in die Festhalle und inspizieren die ausgestellten Bücher und Lesezeichen. Und wie in Leipzig werden die Goodies freudig eingesammelt, diverse junge Mädchen stecken die Köpfe zusammen und bestaunen ihre ergatterten kleinen Schätze.

Cosplayer im Gespräch mit Rita Feinkohl.
Foto: Manuela Kowald

Wie einige der ausstellenden Autorinnen hat auch Rita Feinkohl ihren Stand liebevoll mit ihrem bislang einzigen Titel „Ich dank dir och schön“ dekoriert, dazu Schmuck und Tücher ausgestellt. In ihrer biografischen Geschichte verarbeitet sie ihre Erfahrungen mit einem behinderten Angehörigen, der sie lehrte, die Welt mit seinen Augen zu sehen. Auf der einen Seite dieser positive Aspekt einer Betreuung, musste sie auf der anderen Seite mit Behörden und Institutionen kämpfen. Da der Protagonist Schmuck liebte, hat sie nicht nur das Buch, sondern auch Accessoires im Angebot, um ihm damit ein weiteres Andenken zu setzen – keine schlechte Marketingidee obendrein.

Mit dem Thema „Depression“ befasst sich die Autorin Jessica Düster alias Jessica Noir in ihrem Buch „Projekt Lea – Arbeitsnotizen der Depression RS21/4687/13“. Das Thema ist seit einiger Zeit nicht unbedingt mehr etwas Neues, jedoch hat Jessica Düster die Depression personifiziert und schreibt aus deren Perspektive statt aus derjenigen des Menschen, der an der Erkrankung leidet. Das gibt einen neuen Blick, der vielleicht Leser neugierig auf das Thema macht. Sie hat dieses Buch zum Thalia Storyteller Award 2024 eingereicht. Die Autorin hat mehrere Bücher geschrieben und Vorankündigungen weiterer Titel im Internet, die sie den Genres Horror und Romance zuordnet. Man kann sie auf Instagram unter @midnightinkscribe finden und im Internet unter www.jduester.de.

Haiku und Gruselgeschichten

Der Poet und Schriftsteller Manuel Bianchi hat Haiku-Dichtung und Gruselgeschichten in seinem Repertoire und erfindet für seine Gedichtbände Titel wie „poetricity“ (urbane Lyrik) oder „#commutiny“, dem neuesten Band mit Gedichten und Polaroids. „Die Gedichte entstanden in einem Zeitraum von dreieinhalb Jahren, eine Zeit der großen Umwälzungen. Die Pandemie hat ebenso wie andere persönliche Erlebnisse des Dichters ihre Spuren hinterlassen“, heißt es auf dem Klappentext. Neben der Poesie hat der Autor Leidenschaften für Fantasy, die schon erwähnten Gruselgeschichten und – Formationstanz. Davon berichtet er auf seiner Homepage www.manuelbianchi.de. Man kann ihm auf Instagram unter @manuelbianchipoet folgen.

3 Cover. Foto: Maren Schönfeld

Hat man früher strikt die Genres voneinander getrennt und darüber nachgedacht, ob Texte oder Projekte ausreichend „literarisch“ seien oder man sein Gesicht verlöre, wenn man dies oder jenes veröffentlichen würde, steht die jüngere Generation selbstbewusst zu den verschiedenen Facetten ihres Schreibens und färbt offenbar auch auf einige ältere Semester ab. Das gibt Hoffnung, dass die hierzulande sehr beliebte Be- oder Abwertung irgendwann weniger schnell erfolgen mag, als man es bislang gewohnt war. Und es kann allen Schriftstellern Mut machen, zu den verschiedenen Genres zu stehen, in denen sie unterwegs sind.

Starke Frauen, Thriller und starke Geschichten

Melanie Amélie Opalka schreibt „Romane für starke Frauen mit Entwicklungspotenzial“ und unter dem Namen Marley Alexis Owen Thriller mit der Hauptfigur Sara Konrad. So hat sie bereits zwei Romanreihen angelegt und feiert in diesem Jahr ihren zehnten veröffentlichten Roman. Die „Expertin fürs Feiern von Fehlern“ (Homepage) strahlt ebenso wie ihre Homepage https://melanieamelieopalka.de/ jede Menge positive Energie aus und empfängt die Gäste sehr herzlich an ihrem Stand.

Bierdeckel zum Mitnehmen gibt es bei dem Fantasy-Autoren Olaf Raack und seiner „Mirandor-Saga“, dazu reichlich Lesestoff mit seinen sieben Buchtiteln. Ehemals als Rapper unterwegs, hat er sich nun dem Schreiben zugewandt und präsentiert sich und seine Projekte auf seiner Website https://olafraack.de/.

Besucher in der Halle am Stand von „Mostly Premade“. Foto: Manuela Kowald

Die Frage, inwieweit die Selfpublisher und Kleinverlage sich Lektorinnen und Covergestalter leisten, wäre höchstens durch die Befragung aller Autoren zu beantworten, die auf der Himmelpfortener Messe anwesend waren. Stattdessen erfahre ich am Stand von „Mostly Premade“, dass sich die von der Inhaberin Nadine Most gestalteten Cover sehr gut verkaufen. Sie zeigt einige ihrer Arbeiten am Tablet und schlägt mir eine Gestaltung für einen Lyrikband vor, ein wenig verschnörkelt, aber irgendwie auch ansprechend. Die Coverdesignerin und Hörbuchsprecherin bietet ihre Arbeit für jeden Geldbeutel mit sehr flexiblen Modalitäten an. Weitere Stände von Gestaltern hätten mich interessiert, leider war Nadine Most die einzige.
https://nadinemost.de/mostlypremade/

Auch meine zweite Messerunde endet beim „Lovemoon“ Verlag für „Romance, New Adult & Romantasy“ (Quelle: https://www.lovemoon-verlag.de/) mit seinen farbprächtigen und großformatigen Büchern. Früher hatte man Goldschnitt, heute wird mit Farbschnitt gearbeitet, was dem zugeklappten Buch das Aussehen einer Schatulle verleiht. Wirkt passend für „Bücher für deine traumschönen Brausepulver-Momente beim Lesen“ (Verlagswebsite). Spannender finde ich das „Book Journal“, aufgemacht wie ein Freunde-Album aus meiner Schulzeit, wo sich Klassenkameraden mit Passfoto und einigen Steckbriefnotizen verewigen konnten. Das Journal ist ausgesprochen hübsch und liebevoll gestaltet. Das zweite Highlight ist der „Plot Planner“, ein gestaltetes Notizbuch zum Planen größerer Buchprojekte. Das ist, kaum zu glauben im Zeitalter der sich selbst überholenden Digitalisierung, für viele eine echte Konkurrenz zu Schreibprogrammen für Autorinnen und hat mich als Handschreiberin sofort begeistert.

Das Fazit ist positiv

Die alternative Buchmesse gewährte mir einen Blick in eine andere Lese- und Schreibwelt. Als ich Kind war, sagte man uns, dass Comics unsere Lesefähigkeit verdürben. Unsere Eltern hatten Sorge, dass wir keine „richtigen Bücher“ mehr würden lesen können. Dabei lasen sie selbst Utta Danella und Marie Louise Fischer. Waren das denn „richtige Bücher“? Noch früher hatte man Barbara Cartland, eine Weile später Rosamunde Pilcher, jetzt hat man New Romance, Cosy Crime, New Adult und Insta-Love. Lesen war und ist immer auch eine Leidenschaft, die ein Wohlgefühl hervorruft – entweder, weil man schwere und anspruchsvolle Lektüre bezwungen hat oder weil man sich in leichte und von den irrwitzigen Zeiten ablenkende Geschichten flüchten kann; oftmals auch, weil man Erkenntnisse aus der Lektüre gewonnen hat. Und seien wir ehrlich: Nicht jeder Spiegel-Bestseller ist ein literarisches Meisterwerk. Was wir Schriftsteller möchten, ist doch, gelesen zu werden. Den Ausstellerinnen in Himmelpforten ist es offensichtlich gelungen, ihre Fans zu finden und ihren Geschichten Flügel zu verleihen.

Eröffnung. Foto: Manuela Kowald

Über meine Buchvorstellung

Ich freue mich sehr, dass die Journalistin Uta Buhr über meine Buchvorstellung sowie mein Buch berichtet hat:

https://die-auswaertige-presse.de/2019/07/wenn-du-schmerzen-hast-gehe-langsam-maren-schoenfeld-las-aus-ihrem-neuesten-buch/

Mir hat der Abend sehr viel Freude bereitet, weil es einen regen Austausch mit den Gästen gab. So soll es sein. Die Situation war schon dadurch aufgelockert, dass wir alle an einer langen Tafel saßen und nicht, wie bei Lyriklesungen, ich separat vor dem Publikum platziert war. So war die Atmosphäre von vornherein aufgelockert.

Buch „Wenn du Schmerzen hast, gehe langsam“

Die erste öffentliche Buchvorstellung auf der Offenen Lesebühne in Hamburg West war ein großer Erfolg. Es gab viel positives Feedback und ich habe einige Bücher verkauft.

Die Facebook-Seite hat die 5000er-Marke geknackt und ich bin sehr angenehm überrascht über die vielen Reaktionen. Das Buch gebe Einblick in den Alltag mit chronischen Schmerzen und wecke Verständnis, wurde mir gesagt. Auch, dass man sich als Erkrankte nicht schuldig fühlen muss, ist für einige Leserinnen eine gute Information gewesen.

Meine Anregung, pro Tag drei gute Dinge zu notieren, ist von einigen Leserinnen aufgenommen worden.

Am 12. Juli gibt es die nächste Buchvorstellung, die Daten werde ich rechtzeitig hier einstellen.