Archiv der Kategorie: Geschichten

Neuer Bereich „Kooperationen“

Liebe Leserinnen und Leser,

an einem Sommerabend in meiner neuen Wohnung in Stade, dem Sehnsuchts- und Schreibort auf Zeit der letzten zehn Jahre und der Ort, in dem ich aufgewachsen bin, sitze ich gerade auf dem Balkon und schreibe diese Zeilen. In einer privat bis zur Schmerzgrenze belastenden Zeit gab es in diesem turbulenten Jahr 2025 bislang kaum Zeit zum Schreiben oder um mich den literarischen Projekten zuzuwenden. Langsam ordnet sich mein Leben neu und ich finde wieder Worte.

Meine Website habe ich optisch leicht umgestaltet mit einer anderen Farbgebung und moderneren Schrift. Im Menü findet ihr die Bereiche „Poesie“ und „Sachbuch“ jetzt unter dem Oberbegriff „Bücher“. Unter diesem Begriff gibt es jetzt einen neuen Bereich „Kooperationen“, in dem ich euch Projekte vorstellen möchte, an denen ich mitgewirkt habe, die jedoch nicht von mir geschriebene Bücher beinhalten. Das erste Projekt ist eine „Perle der Literatur“, unten seht ihr den Link und habt schon die letzten beiden Blogbeiträge dazu gelesen.

Das Aufmachen eines neuen Bereichs hat sich insofern gelohnt, als das Buch über Hilda van Suylenburg nicht das einzige gemeinsame Projekt mit dem Input-Verlag bleiben wird…

Lasst euch überraschen!

Lektorat ohne Autorin: meine starke Freundin Hilda

Ein Lektorat lebt vom Austausch zwischen Lektorin und Autorin – die eine unterbreitet Vorschläge, die andere nimmt an oder lehnt ab, nicht selten diskutieren beide miteinander. Das gibt beiden Seiten Sicherheit und stärkt im besten Fall den Text. Jedenfalls habe ich es bislang mit meiner Kundschaft so erlebt. Zum ersten Mal hatte ich mit dem Buch „Frauen, die den Ruf vernommen …“ (Originaltitel: Hilda van Suylenburg) der niederländischen Schriftstellerin Cécile de Jong van Beek en Donk (1866-1944) einen Text vor mir, den ich ohne dieses Miteinander, ohne den konstruktiven Dialog, die manchmal harten Diskussionen bearbeiten sollte und durfte. Dafür hatte ich mir den ganzen Februar nahezu freigeräumt, um in Ruhe und Stille mit Cécile gewissermaßen in einen imaginären Austausch zu gehen, mit Pausen arbeiten zu können, vielleicht auch in weitere Texte aus ihrer Feder hineinzulesen und mich mit ihrem Leben zu beschäftigen.

Die Welt aus den Fugen

Dann stürzte mein Mann am 31. Januar und schlug hart mit dem Kopf auf den Bordstein. Der Anruf erreichte mich in Stade im Parkhaus. Ich musste erst mal zu meinem besten Freund fahren, um in die Lage zu kommen, nach Hamburg zu fahren. Er und seine Frau sorgten dafür, dass ich ein Brot aß und ein Glas Wasser trank, während ich mich durch die Intensivstation telefonierte. Dann fuhr ich nach Hamburg und dort brachte mich ein guter Freund ins Krankenhaus. Mein Mann war nicht ansprechbar, was sich in den nächsten Tagen langsam verbesserte.

Meine Welt war aus den Fugen, aber ich wollte unbedingt diesen Text lektorieren und mir war klar, dass mein Mann das auch wollte und selbst seine musikalische und malerische Arbeit immer unter jeden Umständen wahrgenommen hat. Wie oft hat mich Arbeit schon in schweren Lebensphasen gerettet, mir Struktur gegeben, mich innerlich aufgebaut, mich abgelenkt vom Grübeln. So lebte ich im Februar zwei Leben: Tagsüber kämpfte ich den jeden Morgen neu beginnenden Kampf mit Pflegegradeinstufung, Kurzzeitpflegeplatz, Informationsbeschaffung, Ungewissheiten und Grübeleien und versuchte, all das von meinem Mann fernzuhalten. Abends setzte ich mich mit einem großen Becher Tee in meinen Sessel und vertiefte mich in das Buch.

Zwei schöne Lesungen

Sulamith Sommerfeld, Maren Schönfeld, Thomas Dunse; Foto: Laura Dunse

Der Herbst ist nun da und mit dem Ende der Sommerpause gehen auch die Lesungen wieder los. Im Oktober freue ich mich auf die gemeinsame Lesung „Lyrik im Contor“ mit Sulamith Sommerfeld und Thomas Dunse am 25.10. in Stade mit demselben Programm wie schon im Februar. Auch dieser zweite Termin ist fast ausgebucht! Restkarten sind noch in der Buchhandlung Contor in Stade zu bekommen. Für Detailinfos schaut bitte auf meine Lesungs-Seite.

Der wunderschöne Ringbuch-Kalender der Hamburger Autorenvereinigung ist nun erschienen. Ich bin begeistert über das Format mit großzügigem Schreibplatz und mit vielen Geschichten und Gedichten der Kolleginnen und Kollegen aus der HAV. Am 29.10. werden wir daraus vorlesen und freuen uns auf zahlreiche Gäste. Den Kalender kann man sogar käuflich erwerben, jedoch nicht im Buchhandel, sondern ausschließlich direkt bei der HAV.

Ich freue mich auf ein Wiedersehen bei einer der Lesungen!

Denn sie lieben, was sie tun

Schätze von der Messe. Foto: Maren Schönfeld

Um die Mittagszeit gab es gerade noch einen freien Parkplatz vor der Eulsete-Halle, dabei hatte ich befürchtet, dass vielleicht kaum jemand Interesse an der Buchmesse in dem kleinen Ort bei Stade zeigen könnte. Weit gefehlt – beim Rundgang gab es vor einigen Ständen „Stau“, die angeregten Gespräche zwischen Besuchern und Ausstellern dauerten einige Zeit und die Wartenden zeigten sich geduldig. Die Messe, die unter dem Motto … fair geht vor von Manuela und Uwe Kowald veranstaltet wurde, fand zum ersten Mal in Himmelpforten statt. Rund 25 Aussteller teilten sich die Halle mit einem Bücherflohmarkt, was offensichtlich ein gutes Konzept war, wobei am ersten Tag des Messewochenendes 27./28. April mehr Gäste an den Ständen zu finden waren als im Flohmarktbereich. Die Bezeichnung „alternative Buchmesse“ weckt in den älteren Semestern von uns eher Assoziationen zur alternativen Szene der 1980er Jahre; aber weit gefehlt: In diesem Fall ging es um alternative Publikationsmöglichkeiten für Schriftsteller, die im so genannten ersten Buchmarkt kaum eine Chance bekommen. In einem Markt, der hauptsächlich von Übersetzungen lebt und fast keinen Raum für Neuerscheinungen hat, sind neue Schriftstellerinnen harten Bedingungen ausgesetzt. Als das Selfpublishing aufkam, damals noch verachtet und verpönt von denen, die „es geschafft“ hatten, in einem größeren Verlag unterzukommen, kämpften die schreibenden Pioniere um einen Platz in der Welt der zu Papier gebrachten Gedichte und Geschichten, die ihren Weg zu Lesefreudigen finden sollten. Und was soll man sagen: Gut 20 Jahre später ist es kein Platz, sondern ein eigener Markt, der sich still und leise neben dem etablierten Buchmarkt, beherrscht von großen Verlagen, aufgestellt hat. Und der so viel Druck auf den „ersten Buchmarkt“ ausgeübt hat, dass es jetzt in Leipzig und Frankfurt am Main Selfpublisher-Areas auf den Buchmessen gibt. Sicherlich hängt die Qualität der Texte nicht zuletzt davon ab, ob sich die Verfasser ein Lektorat geleistet haben; Leser sind trotzdem zu finden. Und wer es als Selfpublisher schafft, sich einen Leserkreis zu erarbeiten, hat sich tief ins Marketing eingearbeitet. Denn die besten Texte kommen nur dann unter Leute, wenn die richtigen Werbemaßnahmen sie in die Welt bringen.

Präsentationen, mit Liebe gemacht

Zunächst beeindruckt, mit welcher Liebe zum Detail und mit welch großer Sorgfalt die kleinen Verlage und Selfpublisher ihre Stände ausgerichtet haben. Fast alle haben nicht nur Bücher, sondern auch Lesezeichen, Flyer, Leseproben und sogar bedruckte kleine Leinenbeutel mit dem entsprechenden Buchcover dabei und ansprechend aufgebaut. Für einen Titel, bei dem es um Schokoladentaler geht, sind goldglänzende Schokotaler auf schwarzem Samt ausgestreut; Farben, die sich im Buchcover widerspiegeln.

Nachlese: Contor und Teehaus

Zwei Lesungen binnen zwölf Tagen, knapp 40 Gäste bei der einen, 26 bei der anderen – was für ein wunderbarer Auftakt eines literarischen Jahres, den bedrückenden und seltsamen Zeiten zum Trotz.

Sulamith Sommerfeld, Maren Schönfeld, Thomas Dunse; Foto: Laura Dunse

Sulamith Sommerfeld, Thomas Dunse und ich lasen in der Stader Buchhandlung Contor aus vorhandenen Büchern und aus unveröffentlichten Texten. Selten habe ich es erlebt, dass ein Publikum so still und versunken lauschte wie an diesem Februarabend. Die Dreiviertelstunde unseres abwechselnden Vorlesens war für uns und offenbar auch für die Gäste wie eine Lyrik-Meditation. Im anschließenden Werkstattgespräch tauschen wir Vortragenden uns miteinander und mit den Gästen aus. Für mich ist es immer wieder spannend, was Menschen in den Gedichten finden, wo sie sich darin verorten können und wie sie berührt werden. Nicht selten kommen für mich Deutungsebenen meiner eigenen Gedichte hinzu, wenn ich Gedanken anderer zu meinen lyrischen Texten höre.

Augenscheinlich

Sie hatte alles zurückgelassen: die Möbel, die Wohnung, die Wege, die Stadt. Die Menschen, die ihr Leben ausgemacht hatten. Ein neuer Ort, neue Menschen. Alles neu. Und dann saß sie in ihrer Küche, still, am Fenster. Und plötzlich merkte sie, dass es mitgekommen war, sich augenscheinlich unbemerkt an ihre Fersen geheftet hatte. Der Duft frisch renovierter Zimmer konnte nicht darüber hinwegtäuschen: Es stand im Raum, übermächtig. Sie spürte, wie die Verzweiflung langsam in ihr hochkroch, von den kalten Füßen bis zum Hals. Wie sie ihr die Luft fast abdrückte. Sie zwang sich, tief zu atmen, aus dem Fenster zu sehen, ins Grüne. Ihren Tee zu trinken, kleine Schlucke, einen, zwei, drei. Die Verzweiflung mit Tee runterzuspülen. Es wartet auf sie. Gewiss.

(c) Maren Schönfeld, Hamburg 2023

„Es war der erste Tag ihres neuen Lebens…“

Zum zweiten Mal in diesem Jahr gewinne ich mit dem Prosatext „Das Wunschkind“ den ersten Preis! Bin sehr glücklich und bedanke mich bei der Hamburger Autorenvereinigung und dem Publikum des gestrigen Abends herzlichst! Ebenfalls herzlich gratuliere ich Rainer Lewandowski zum zweiten und Reimer Boy Eilers zum dritten Preis.

Unten findet Ihr eine kleine Fotogalerie und hier könnt Ihr meine Kurzgeschichte lesen:

Das Wunschkind

Es war der erste Tag ihres neuen Lebens, allein mit dem Kind. Es schlief. Der Vater war bei der Arbeit. An diesem Tag würde niemand mehr zu Besuch kommen, alle hatten ihre Antrittsbesuche gemacht. Die Hebamme war morgens da gewesen, ihr war nichts Ungewöhnliches aufgefallen oder sie ließ sich nichts anmerken. Das Kind atmete ruhig.

„Es war der erste Tag ihres neuen Lebens…“ weiterlesen

„Als ich zum ersten Mal…“

… für den Kurzgeschichtenpreis der Hamburger Autorenvereinigung nominiert war, bekam ich den zweiten Platz! Dieses Jahr heißt das Motto „Als ich zum ersten Mal…“ und ich bin zum zweiten Mal nominiert, was mich natürlich riesig freut. Demnach müsste ich also, um die Gleichung perfekt zu machen, nun den … Preis bekommen?!


In einer Lesung werden wir sechs Finalisten unsere Kurzgeschichten präsentieren. Dann entscheidet das Publikum in einer geheimen Abstimmung, wer aufs Treppchen kommt.

Seid Ihr dabei?

Donnerstag, 24. August 2023, 19:30 Uhr
Alfred-Schnittke-Akademie, Max-Brauer-Allee 24, 22765 Hamburg (nahe dem Altonaer Bahnhof)

Aus dem Einladungstext:

Wir vergeben live den vierten Kurzgeschichtenpreis der Hamburger Autorenvereinigung!
Seien Sie gespannt auf sechs 10-minütige Lesungen – und stimmen Sie vor Ort mit ab über die drei Siegertexte. In die Endrunde sind gekommen (in der Lesereihenfolge aufgelistet):
Maren Schönfeld
Uwe Friesel
Sibylle Hoffmann
Reimer Eilers
Rainer Lewandowski
László Kova

Musikalische Umrahmung: Marina Savova

Eintritt: 9 €; ermäßigt 6 €, Mitglieder frei
Gefördert von der Behörde für Kultur und Medien.

Hier stelle ich die Einladung zum Download bereit:

Ich hab die Motte gekriegt!

Allein auf der altonale-Lesebühne lesen zu dürfen, war schon eine große Ehre. Mit zehn hochkarätigen Kolleginnen und Kollegen ging es in den Wettbewerb. Verschiedener hätten die Beiträge kaum sein können, von lustigem Gedicht bis ernster Geschichte, Prosaminiatur bis Slampoetry, eindringlichem Vortrag und „Jaaazz!“ mit dem Publikum glänzte der Abend mit reichlich Abwechslung. Ich war sehr froh, nicht in der Jury zu sein!

Und dann die Überraschung in Form der Goldenen Lesemotte 2023 für meine Kurzgeschichte „Das Wunschkind“! Ich bin sehr glücklich. Was für ein wunderbares Wiedersehen bei der altonale-Lesebühne nach einer sehr langen Pause, in der ich bei „altona macht auf“ aktiv war.

Herzliche Glückwünsche an Nikola Anne Mehlhorn (Silberne Lesemotte) und Marv Mellow (Bronzene Lesemotte). Und ganz herzlichen Dank an die Textfabrique51 und das Kulturzentrum DIE MOTTE für die Organisation.

Fotos: Ralf Plenz (1/3); Sabine Ehresmann (2,4)

Sandtorte

Die Küche, immer blitzsauber, roch nach Ferien, als sei vor Kurzem gebacken worden. Die Schüsseln aus braunem Steinzeug rochen irden, ein klarer Duft. Bei ihrem Anblick und wenn ich eine herausholen sollte aus dem Schrank, wenn ich ihre kühle Glätte spürte, dachte ich an den Krieg. Denn mir war gesagt worden, dass diese Schüsseln aus der Kriegszeit stammten. In der größten der drei rührte meine Großmutter Kuchenteige an, mit einem Holzlöffel und nur in eine Richtung, wenn es ein Sandkuchen werden sollte. „Sandtorte“ hieß das bei uns, obwohl es mit einer Torte nichts zu tun hatte. Ich beobachtete fasziniert, wie aus Fett, Eiern, Zucker und Mehl nach und nach eine homogene Masse entstand. Großmutter hielt die Schüssel mit dem linken Arm an ihren Leib gedrückt und rührte mit rechts. Endlos. Wenn alles gut verrührt war, stellte sie die Schüssel auf der Arbeitsfläche ab. Nun durfte ich auch rühren, schaffte aber kaum mehr als drei oder vier Runden. Aus der Kriegszeitschüssel füllte Großmutter den Teig in die noch ältere Kastenform, die aus dem Haushalt meiner Urgroßmutter stammte. In der folgenden Stunde lief ich immer wieder zum Herd, um durch das Fenster der Ofentür zu schauen, ob der Kuchen aufging.

In all den Jahren
hatte sie nie einen Fleck
Großmutters Schürze