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Lyrik und Klarinette im Teehaus

Lyrik ist mehr als bedrucktes Papier

Lyrik begleitet mich seit meiner Kindheit. Gedichte wie die Streiche von Max und Moritz (Wilhelm Busch) oder „Die drei Spatzen“ (Christian Morgenstern) gehörten dazu. Da ich wegen einer körperlichen Behinderung nicht laufen und toben konnte, stürzte ich mich in die Literatur und fand dort weite Räume, in denen Handicaps keine Rolle spielen. Zum Lesen kam bald das Schreiben. Das erste Gedicht schrieb ich als Kind über einen magischen Garten hinter einer Mauer. Vierzig Jahre später kann ich auf zehn veröffentlichte Bücher zurückblicken.

Einzeltitel 2018-2022

Dass Poesie mehr ist als ein geschriebenes Wort auf weißem Papier, habe ich früh erkannt. Was die Lyrik mir bedeutet und wie Gedichte im Alltag helfen, aufmuntern, bereichern und inspirieren können, möchte ich mit einem Streifzug durch meine Gedichtbände und mein schriftstellerisches Leben mit Einflussgebern wie Walter Kempowski und Peter Gosse mit den Gästen des Leseabends teilen.

Harald Maihold
(Foto privat)

Dabei wird Harald Maihold mich auf der Klarinette und Bassklarinette begleiten und seine eigens zu meinen Gedichten komponierte Lyrische Suite erstmalig erklingen lassen.

Harald Maihold spielt seit 1989 Klarinette und liebt deren warme Töne, mit denen sich Gefühle und Stimmungen so wunderbar ausdrücken und im Zusammenspiel mit anderen teilen lassen. Er hat sich ein breites Repertoire aus Klassik, Jazz, Klezmer, Pop und Volksmusik erschlossen und spielt u.a. als  Solist und in unterschiedlichen Ensembles und Projektorchestern im Hamburger Westen bei Konzerten.

Dienstag, 5. März 2024, 19 Uhr

Teehaus in den Wallanlagen, Planten un Blomen (neben der Eisbahn)

Veranstalter: Hamburger Autorenvereinigung in Kooperation mit der AWO

Eintritt: 6 €, auch für HAV-Mitglieder

Vorbestellung per E-Mail an Sabine.Witt@awo-hamburg.de

Manchmal braucht man einen Engel, aber …

… was braucht der Engel eigentlich? Sind Engel dazu da, uns zu beschützen? Oder das, was wir mit der Schöpfung anrichten, auszugleichen? Was für ein Engelbild hast du?

Gedicht: Maren Schönfeld, Buch „Engelschatten“, Verlag Expeditionen, Hamburg 2022 / Bild: Marlis Dammann

Diesen und anderen Fragen wollen wir am 23. Oktober 2023 um 18:30 Uhr mit Christiane Huß von der Stader Bibel- und Missionsgesellschaft und den anwesenden Gästen nachgehen. In einem Online-Gespräch inklusive Kurzlesung aus meinen Engel-Gedichten setzen wir uns mit dem Phänomen der Engel auseinander. Dabei geht es auch um meine Inspirationen für die Engel-Gedichte, deren Entstehung und Wirkung auf Menschen. Und um die unterschiedlichen Engelbilder, die wir haben.

Der Eintritt ist frei, es wird jedoch um Anmeldung per E-Mail gebeten:

https://kapitel17.de/events/lesung-mit-maren-schoenfeld-von-engeln-und-menschen/

Schön war’s!

Eine kleine feine Runde waren wir mit Gino Leineweber und Albrecht Classen sowie sehr interessierten Gästen. Wir lasen vor und sprachen angeregt über Übersetzungsprobleme bei Gedichten, die Eigenheiten verschiedener Sprachen, das Schreiben an sich im Allgemeinen und unseres im Besonderen. Danke an alle Beteiligten für diesen inspirierenden Abend, von dem alle etwas mitgenommen haben.

Gino, Maren, Albrecht

Ich hoffe, dass Albrecht im nächsten Jahr wiederkommt und wir uns erneut zu einer Lesung mit Werkstattgespräch treffen werden.

(Fotos: Ulrike Gaate)

Ein Drängen, das auf verstürzten Wegen Freiheit sucht

Gedenken an meinen Freund und Kollegen Winfried Korf (1941-2021)

Karin Grubert und Winfried Korf 2013 bei der Internationalen Gartenschau Wilhelmsburg. Foto: Johanna Renate Wöhlke

Als ich, frisch gebackene Sekretärin der Hamburger Autorenvereinigung, mit dem Korrekturlesen der Beiträge für die Anthologie „Spuk in Hamburg“ (Verlag Expeditionen, Hamburg 2014) befasst war, beeindruckten mich zwei Gedichte eines Lyrikers besonders, den ich bislang nur vom Sehen kannte. Dieser Lyriker arbeitete sehr traditionell, mit einem packend bildhaften und eloquenten Wortschatz, geschliffenem Metrum und gestochenem Versmaß. Wer war dieser Mensch, der einer offiziellen Version der Gattung Lyrik „linksbündiger Flattersatz“ mit althergebrachter Wortgewaltigkeit trotzte?

Bei unserer Lesung zur Vorstellung der Anthologie ließ ich mir auch ihm ein Autogramm auf seine Autorenseite schreiben. Seine Widmung lautete: „In Erinnerung an die glanzvolle Vorstellung unserer Anthologie“. Seine Schrift war genauso wie seine Gedichte: Barock und verschlungen.

Einige Jahre später war unser Kontakt zu einer Freundschaft gediehen, die auch das gemeinsame Arbeiten an unseren Gedichten – für eine ganze Zeit auch zu dritt mit einer weiteren HAV-Kollegin – einschloss. Wir diskutierten, manchmal hart, über Formulierungen und den Sinn von Interpunktion in Gedichten. Man konnte sich an ihm die Zähne ausbeißen! Aber gerade das machte es so spannend, denn sein Humor verließ ihn dabei nie. Unsere völlig unterschiedliche Art zu schreiben war kein Hindernis, sondern gerade eine Bereicherung. Dabei hatte Winfried die Angewohnheit, zu „schweren Fällen“ nicht nur Bearbeitungsvorschläge zu unterbreiten, sondern ein eigenes Parallelgedicht zu schreiben. Eine einzigartige Erfahrung, die eine völlig neue Perspektive auf den eigenen Text eröffnete.

Diese Parallelgedichte sind nun, gut anderthalb Jahre nach seinem Tod, neben seinen wunderbar gestalteten handschriftlichen Briefen und seinen Gedichten, ein großer Schatz für mich.

Winfried Korf war Maler, Zeichner, Lyriker. Er war auch Historiker, Dozent in der Erwachsenenbildung und Dramaturg, er spielte Klavier, er war ein Tausendsassa. Und er war ein Mensch, der niemals stillzustehen schien. Wenn er nicht schrieb, zeichnete er. Wenn er nicht malte, fotografierte er. Er war ein Getriebener, manchmal kam er mir vor wie jemand, dessen Kerzen an beiden Enden brannte. In seiner letzten Lebensphase sagte er mehrmals, er könne noch nicht sterben, er habe noch zu viel vor. Und bis zu seinem letzten Tag am 14.12.2021 schrieb und malte er, unermüdlich. Die Überschrift dieses Textes, ein Zitat aus seinem Gedicht „Ewige Wanderung“ (Buchtitel s. u.) erscheint mir wie eine Beschreibung seines Wesens. Das Drängen, das ihn antrieb, blieb bis zum letzten Moment. Er hinterließ Mengen an Werken in Wort und Bild, ein Gesamtkunstwerk, das seine Frau Karin Grubert nun unermüdlich ordnet, sortiert und erfasst. Berührend dabei ist, dass er selbst vieles zusammengestellt hatte, das Ordnen seiner künstlerischen Dinge könnte man als Vermächtnis auffassen.

Uns verband die Lyrik, die Literatur, ein wenig auch die Malerei. Natürlich flossen in unsere Gespräche seine umfangreichen Kenntnisse aus den anderen Bereichen seines Wissens ein, aber nie schulmeisterlich, sondern immer dezent, zurückhaltend und bereichernd. Sein Sinn für das Schöne, der Hang, jede Box für Notizzettel, jede Schachtel, jede Mappe mit künstlerischen Elementen zu veredeln, umgab ihn wie ein Raum, in dem er lebte. Alles, was er anfasste, machte er zu Kunst.

Unsere Gespräche über unsere Gedichte, aber auch über andere Literatur, über das Leben, Gott und die Welt, den Garten, die Liebe – diese Gespräche fehlen mir unendlich. Dankbar bin ich dafür, dass wir uns begegnet sind. Dankbar auch für seine Gedichte, mit denen er seine Handschrift hinterlassen hat. Spät entdeckte er, der Reimdichter, das ungereimte und minimalistische Haiku; eine Form, der er exzessiv frönte und sie auch mit seinen Fotografien zusammenbrachte. Vielleicht hätte er heute, bei einer Feier anlässlich seines 82. Geburtstag, in fröhlicher Runde welche zitiert. Ganz bestimmt ist dieser Tag ein Anlass, in seinen Gedichtbänden zu lesen. Dies ist eins meiner Lieblingsgedichte:

Auf dem Stege
Betrachtungen im Böhmerwald

Immer anders, immer gleich: Geweb’ der Wellen,
Die hurtig über Wehr und Felsen schnellen,
Im Lichte springen, gleich gejagten Rudeln
im dunklen Grunde unter Wurzeln strudeln.

Immer gleich und immer anders: Streit der Steine.
Jeglicher am andern und für sich alleine
Werden sie flussab geschoben und im Schieben
Aneinander zu Geröll und Sand zerrieben
Und als Stoff zum späteren Gebären
Neuer Bergeswelt begraben in den Meeren. –

„Du steigst nicht zweimal in denselben Fluss“:
Er ist es und er ist es nicht.
Du bist es und du bist es nicht.
Wir alle ändern Leben, Lauf, Gesicht –
Ein jeglicher nach seinem Muss.

Und doch ist’s nur die eine Sphäre,
Darin Zerstörer durch die Zeiten kreisen,
Sich steigern, gipfeln, mindern und zerreißen,
Sich verflammend ineinander schweißen
Zu Gestalten, schmelzend in der Leere,

Daraus der Geist sich seine Körper schafft:
Die Dinge als Verdichtungen der Kraft.
Von dem Stege zwischen Hier und Dort,
Von seines Bogens aufgewölbtem Ort,
Der, keines Ufers Eigen, beide bindet
Und überschreitet und kein Ziel je findet,

Schau‘ ich hinunter auf das Schnellen,
Auf das Geweb‘ der Steine und der Wellen:
Strömen, strömen, strömen – Takt der Zeit,
Verschränkt in den Kristall der Ewigkeit.

Winfried Korf (1941-2021): Wanderung im Abend, BoD, Norderstedt 2016

Titel von Winfried Korf bei Amazon: https://www.amazon.de/s?k=winfried+korf&crid=11IILNECC0KER&sprefix=winfried+korf%2Caps%2C89&ref=nb_sb_noss